• Author:J. Schötz

Der Eigensinn

Der Eigensinn wird oftmals missverstanden als Egoismus oder Rücksichtslosigkeit. Dadurch hat er zu Unrecht ein aggressives Image.

Was ist der Unterschied?

Ein egoistischer Mensch drückt ohne Rücksicht auf andere seine Bedürfnisse und Ziele durch.
Ein eigensinniger Mensch setzt sich für seine Rechte und Interessen ein, OHNE andere zu verletzen oder zu schädigen

Der Eigensinn hat viel mit der eigenen Wahrnehmung zu tun.

  • „Eigen“ = „Selbst“
  • „Sinn“ = „sinnlich“ oder „fühlend“

Der Eigensinnige begegnet sich selbst respektvoll, wertschätzend. Er ist sich seiner selbst bewusst. Er kennt seine Wünsche, Bedürfnisse und Grenzen und kann sie anderen gegenüber respektvoll formulieren, frei von der Annahme, andere von der eigenen Haltung überzeugen zu müssen.

Das Besondere ist, dass der Eigensinnige sich so im Alltag nicht aus den Augen verliert. Er hinterfragt nicht immer wieder, ob die Anforderungen oder Bitten von außen zu ihm passen oder nicht. Ein eigensinniger Mensch wird also nicht blind zu allem Ja und Amen sagen. Er sagt auch mal Nein. Problematisch ist , dass wir ungern negativ auffallen wollen. Und ein Nein ist negativ. Wir hoffen und finden es erstrebenswert, von allen geliebt zu werden.

Unserer Kindheit liegt durch die Schule eine Haltung des Gehorsams zugrunde und die Brechung des Eigensinns. Wer nicht auffällt, ist gut. Der Pädagoge Kurt Singer nannte es den „Folgsamkeitsreflex“. Aus diesem Reflex heraus resultiert jedoch der Mangel an Mut, ein Nein klar zu äußern.

Das Kind in uns will folgsam sein.

Der Eigensinnige überwindet den Reflex und handelt unter Betrachtung des Selbst.
Dieser Sinn für das Eigene macht es möglich autonom zu agieren und persönliche Grenzen zu schützen. Somit behält er die Zügel für sein Leben immer in der Hand und kann selbst sein Leben gestalten.

Eigensinn kann man lernen.

In der aktuellen Ausgabe der Psychologie Heute 03/16 werden folgende Übungen genannt. Basis der Übungen ist: „Fake it till you make it“ – Tun Sie einfach mal so als wären Sie ein eigensinniger Mensch.
Zum Beispiel:

  • Zuckerguss weglassen: Verzichten Sie auf abschwächende Floskeln.
  • Trainieren Sie das Nein: Sagen Sie bewusst Nein, auch wenn es kein Problem wäre, die Bitte des Anderen zu erfüllen.
  • Kein „es tut mir leid, aber“: Lehnen Sie unerwünschte Einladung oder Forderung ab ohne sich zu entschuldigen oder Gründe dafür anzugeben.
  • Rechtfertigen Sie kein Nein.
  • Abwarten: Hören Sie sich einen Vorschlag erst genau an, halten Sie inne und fragen Sie sich, was Sie wirklich wollen.
  • Üben Sie in einer Gruppe, eine andere Meinung zu vertreten.
  • Äußern Sie einen Wunsch sofort und warten Sie nicht, bis ein anderer ihre Wünsche genannt hat. Wiederholen Sie Ihre Wünsche oder Forderungen, wenn diese beim ersten Mal nicht gehört worden sind.

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